Schultipps

Mobbing: Eltern, euer Teenager braucht euch!

Körperliche Gewalt, Cybermobbing, Identitätssuche: Wenn Eltern ihr Kind nah begleiten, können sie Problemen in der Pubertät vorbeugen, meint Pädagogikexpertin Sandrine Saison-Marsollier.

Text: Pierre Wuthrich

Nützliche Informationen

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Wie merke ich, dass mein Kind Opfer von körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt ist?

Es gibt verschiedene Signale. Das kann ein aufbrausendes Verhalten sein, ungewöhnlich schlechte Noten, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Angst vor der Schule. Vor allem der Wunsch, niemanden mehr zu treffen, sollte aufhorchen lassen. Natürlich können diese Verhaltensweisen auch einfach mit der Pubertät zusammenhängen. Bei schwerwiegenden Problemen wie Mobbing hält das Unbehagen aber über einen längeren Zeitraum an. Dann sollte man versuchen herauszufinden, was den Teenager beschäftigt. 

Wie kann ich meinen Teenager dazu bringen, sich mir anzuvertrauen?

Von klein auf Routinen mit seinem Kind zu schaffen, ist wichtig. Wenn Eltern das Kind regelmässig nach seinem Befinden fragen, ihre Beobachtungen gemeinsam mit dem Kind besprechen und ihre eigene Gefühlslage in Worte fassen, können sie über längere Zeit eine vertrauensvolle Umgebung schaffen, die den Dialog fördert.

Mit einem Teenager kann man zum Beispiel ein Gespräch im Auto beginnen. Man findet sich dann in einer Position, in der man sich nicht anschauen muss – mit der Gewissheit, dass niemand anderes einen hören kann. Es gibt kein Gegenüber.

Darf ich die Sachen meines Teenagers durchsuchen, wenn er sich weigert, mit mir zu sprechen?

Nein, davon wird dringend abgeraten. Teenager wollen als vollwertige Menschen angesehen werden und fordern Respekt. Wenn sich Ihr Kind Ihnen nicht anvertrauen will, sollten Sie ihm Ihre Sorgen mitteilen und ihm externe Hilfe anbieten. Eltern können zum Beispiel auf Websites und Telefonnummern hinweisen, wo Jugendliche Informationen oder ein offenes Ohr finden. Man sollte auch einen Termin mit der Lehrperson vereinbaren oder sogar versuchen, mit den Freunden des Kindes in Kontakt zu treten. Aber in jedem Fall sollte man sein Kind über alle Schritte informieren und transparent bleiben.

Ist es nicht in erster Linie Aufgabe der Lehrerschaft, die Probleme in den Schulen zu lösen?

Nein, Eltern und Lehrer müssen an einem Strang ziehen und haben ein gemeinsames Ziel: die Entwicklung und den Erfolg der Jugendlichen. Eltern sollten, auch wenn sie am Anschlag sind, nicht die Verantwortung abgeben. Das ist von zentraler Bedeutung. Wenn Ihr Kind in der Schule Ablehnung erfährt und dies sich zu Hause wiederholt, ist das ein Albtraum!

Daher ist es sehr wichtig, dass man als Eltern lernt, sich von der Situation nicht überwältigen zu lassen und seine Gefühle gegenüber dem Jugendlichen in Worte zu fassen. Oft hilft es, wenn man dies nicht in einem emotionalen Moment tut, sondern später auf das Problem zurückkommt und es in Ruhe bespricht. 

Was kann ich tun, wenn mein Kind der Täter ist?

Prävention spielt hier eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, dass man die sozialen und emotionalen Fähigkeiten seines Kindes von klein auf fördert, ihnen Werte wie Empathie und Solidarität vermittelt.

Die Eltern sollten mit ihrem Kind einen klaren Rahmen abstecken, innerhalb dem sie die Verantwortung tragen. Es handelt sich um eine Art Familiencharta mit einer Reihe von nicht verhandelbaren Punkten und Richtlinien, die sich mit dem Alter des Kindes weiterentwickeln sollen. Ausserdem müssen Konsequenzen für den Fall festgelegt werden, dass die beschlossenen Regeln nicht eingehalten werden.

Mein Kind ist in einer Problemklasse, hat aber selbst keine besonderen Schwierigkeiten. Muss ich mir trotzdem Sorgen machen?

Ja, die Situation kann problematisch werden, auch wenn der Jugendliche selbst weder Täter noch Opfer ist. Wenn die Person, die Unruhe stiftet, keine Sanktionen erfährt, könnten die anderen Schüler glauben, dass dieses Verhalten nicht schlimm ist und keine Konsequenzen hat. Ausserdem kann es sein, dass ein Schüler Mitglied der Gruppe der Täter wird, nur um in der Klasse akzeptiert zu werden. Auch hier gilt es, wachsam zu sein.

Die Eltern spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie müssen immer wieder an den vereinbarten Rahmen erinnern und die entsprechenden Konsequenzen durchsetzen. Kinder werden mehr durch das Verhalten beeinflusst, das sie sehen, als durch die Botschaften, die sie hören.

Mit Theater gegen Gewalt

Pädagogikexpertin Sandrine Saison-Marsollier arbeitet für die Stiftung Graines de Paix in Genf. Mit dem Theater-Projekt «AdoGoZen» engagiert sie sich gegen Gewalt unter Jugendlichen. Unter der Anleitung von Moderatoren versetzen sich Schülerinnen und Schüler zwischen 12 und 16 Jahren in Alltagssituationen, die sie herausfordern – und üben so einen gewaltfreien Umgang miteinander. Das Projekt wird unterstützt vom Migros-Kulturprozent.

Foto: Getty Images

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