Erziehung und Entwicklung

Rebellion in der Pubertät: Wenn Eltern voll doof sind

Die Pubertät ist für die Eltern meist aufreibend. Doch Verständnis und klare Kommunikation liefern Ansätze, um besser durch diese Phase der Rebellion zu kommen.

Dieser abfällige Blick! Die vierzehnjährige Mia* steht in der Tür. Die Hände in die Hüften gestützt, fixiert sie die Mutter. Ihr Blick sagt wieder mal alles: «Du bist die Hinterletzte!» Dann verlässt der Teenager wortlos die Wohnung. Niedergeschlagen sitzt Marianne M.* am Küchentisch. «Was mache ich nur falsch?», fragt sich die alleinerziehende Frau. Eben hat sie erfahren, dass Mia die Schule schwänzt. Der Lehrer hat unmissverständlich gesagt: «So geht es nicht weiter.» Mia ist zehn, als sich die Eltern trennen. Während sich die ein Jahr ältere Schwester Linda angepasster verhält, zeigt die Jüngere ihre rebellische Seite. Immer öfter kommt es zu Streit. Aus Mias Sicht war es so: «Meine Mutter wird jeden Tag doofer.» 

Pubertärer Hormonhaushalt gerät durcheinander – bis zum 20. Lebensjahr

Zu wachsender Streitlust und Gefühlsausbrüchen der Jugendlichen kommt nun auch noch pure Verachtung. Das kennt die Psychologin Marielle Donzé vom Elternnotruf Zürich gut. «Wir beraten häufig Eltern, die in dieser Phase nicht mehr ein noch aus wissen.» Donzé erklärt dann erst einmal, dass in der Pubertät ein markanter Umbau im Gehirn abläuft. Der Stirnlappen im vorderen Gehirn etwa bildet sich erst jetzt ganz aus. Er gilt als Sitz von Persönlichkeit und Sozialverhalten. Manche Hirnfunktionen wie das Gefühlszentrum und das Belohnungssystem funktionieren nur eingeschränkt. Der Hormonhaushalt gerät völlig durcheinander. «Diese Baustelle dauert mindestens bis zum 20. Lebensjahr», weiss Donzé.

Rebellion in der Pubertät: Den Zwiespalt akzeptieren

Das stört die Gefühlswelt der Teenager. Es kommt zu Stimmungsschwankungen, Gereiztheit und Aggression. «Viele Jugendliche verstehen sich in dieser Phase selbst nicht.» Sie fühlen teilweise noch wie ein Kind, wollen aber schon als Erwachsene gesehen werden. Eltern sollten den Zwiespalt akzeptieren, rät die Psychologin. Das Kind sei verletzlich und habe weniger Selbstwertgefühl. Mia beschreibt die Zeit so: «Ich fühlte mich allein. Alles war schwierig und nervte. Daheim nur Stress. Eigentlich konnte ich mich selbst nicht gut leiden.»

Klare Kommunikation und Begleitung der Eltern

In solchen Phasen braucht ein Teenager laut Expertin Begleitung. Das leuchtet ein, ist im Alltag aber oft schwer auszuhalten. Marianne M. sagte sich immer wieder: «Nimm es nicht persönlich», wenn die Verachtung ihrer Tochter sie traf, «ich fühlte mich oft hilflos.» Als Mia 17 war, suchte ihre Mutter Hilfe beim Elternnotruf. «Man sagte mir: Sie machen das gut, bleiben Sie dran.» Dazu habe man ihr ein Rüstzeug vermittelt, um akute Situationen zu parieren. «Ich lernte, nicht aus dem Impuls heraus zu reagieren.» Und sie wurde klarer in der Kommunikation: Hier gibt’s Verhandlungsspielraum – da nicht. «Meine Tonlage wurde eindeutiger.» Manchmal gelang es ihr, ihre Tochter in den Arm zu nehmen und zu sagen: «Ich hab dich lieb.» Heute sagt Mia: «Ich wollte es damals nicht zugeben, aber das hat mir immer gutgetan.»

* Namen geändert

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Teenager Erziehungtipps

Text: Johannes Kornacher

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Teenager Erziehungtipps

Text: Johannes Kornacher

«Beziehung statt Erziehung: Die Pubertierenden suchen weiter hin den Kontakt zu den Eltern. Sie wollen gehört werden. Indem Eltern in Konflikten Präsenz zeigen und nach Lösungen suchen, bleiben sie im Kontakt. Und man kann nicht jeden Tag gegeneinander kämpfen, es braucht Prioritäten."

Marielle Donzé, Elternnotruf Zürich

Rebellierende Teenager: Das Drei-Körbe-Prinzip

Donzé schlägt die «Drei-Körbe-Übung» für den Alltag vor:

  • Der erste Korb: Steht für Dinge, die eingehalten werden müssen wie gewaltloser Umgang, Respekt, Rücksicht.
  • Der zweite Korb: Kompromisse, die man verhandeln kann.
  • Der dritte Korb: Hier landen Themen, die nicht wirklich wichtig sind.

Mit diesem Konzept steigen Eltern bald aus den zermürbenden Machtkämpfen aus. Doch bei allem Verständnis für Jugendliche: Eltern müssten in dieser schweren Zeit besonders gut zu sich selbst schauen, sagt die Psychologin. Beziehungen pflegen, ausspannen, den Fokus auf anderes richten. «Und bei allem Schmerz dran denken: Diese Phase geht auch wieder vorüber.»

Heute sagt Mia (19) über ihre Pubertät: «Jetzt weiss ich: Ich war die Doofe.» Ihre Schwester Linda (20) ist «erleichtert, dass die Streitereien vorbei sind». Und Marianne M. ist froh, «dass ich immer drangeblieben bin. Das kann ich allen Eltern raten: Gebe nicht auf!»

Das hilft Eltern mit Kindern in der Pubertät

  • Klar Haltung zeigen. Diese drei Botschaften können helfen: Ich bleibe standhaft. Ich bin nachgiebig – wo möglich. Ich höre, was du zu sagen hast.
  • Sich vernetzen. Oft helfen Gespräche in der Familie, mit Nachbarn, Freunden, anderen Eltern. Sonst: professionelle Hilfe holen.
  • Nicht alles auf die Goldwaage legen, sich an die eigene Jugend erinnern: Da war nicht alles perfekt, doch es ist gut gekommen.
  • Zwei Klassiker zum Thema lesen: Jesper Juul: «Pubertät – wenn Erziehen nicht mehr geht. Gelassen durch stürmische Zeiten», bei exlibris.ch; Haim Omer, Arist von Schlippe: «Autorität ohne Gewalt», bei exlibris.ch.
  • Kira Liebmanns Podcast hören: «Der Podcast für Eltern», Spotify
  • Die TV-Sendung «Pubertät – die wilden Jahre» des WDR auf planet-wissen.de ansehen
  • Beratung beim Elternnotruf in Anspruch nehmen: Hotline 0848 35 45 55

Marielle Donzé

Psychologin bei Elternnotruf Zürich

Bild: Getty Images

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