Wie Eltern (fast) immer entspannt bleiben
Puh, der Alltag mit Kleinkind kann ziemlich anstrengend sein! Wie sich Stress effektiv reduzieren lässt und was Eltern und Kind entspannt, verrät dir Erziehungsberaterin Susanna Fischer im Interview
Susanna Fischer, Mutter einer 23-jährigen Tochter und eines 21-jährigen Sohnes, leitet zusammen mit Karin Huber die Familienpraxis Stadelhofen. Die gelernte Sozialpädagogin und Erziehungsberaterin unterstützt Eltern bei der Erziehung und beim Aufbau einer starken Bindung zum Kind. Darüber hinaus bietet die 57-Jährige Schreibaby-Beratungen, Schlafberatungen und Eltern- sowie Kita-Coachings an.
Nützliche Informationen
Das Wichtigste in Kürze:
- Kinder werden im zweiten Lebensjahr selbstständiger und wollen auch eigene Entscheidungen treffen.
- Mit einem Trotzanfall will das Kind die Eltern nicht ärgern. Stattdessen wird es von seinen negativen Gefühlen überrollt.
- Eltern sollten die Gefühle ihres Kindes wahrnehmen und akzeptieren.
- Ein wütendes und enttäuschtes Kind braucht Trost und Verständnis.
- Eltern können vielen Wutanfällen ihres Kindes vorbeugen.
Frau Fischer, im Alter von etwa 14 Monaten können Kinder zwar nur wenige Worte sprechen. Doch sie wissen genau, was sie wollen und was nicht und teilen uns das auch mit: Baden nur mit Kuscheltier, trinken nur aus der roten Flasche, immer verstecken spielen und niemals Windeln wechseln …
Kinder beginnen in diesem Alter, ihre eigenen Ideen zu entwickeln. Selbstständiger zu werden, bedeutet aber auch, selbst Entscheidungen zu treffen.
Das sorgt für einen unruhigen Alltag.
Ja, denn in vielen Fällen entsprechen die Vorstellungen des Kindes nicht den Vorstellungen der Eltern oder das Kind scheitert an seiner eigenen Unzulänglichkeit beim Umsetzen seiner Ideen. Stellen Sie sich vor, das Kind möchte mit verschmierten Händen auf das Sofa klettern oder ausprobieren, ob sich die Seiten eines Buches zerreissen lassen. Dann werden wahrscheinlich die Eltern der Aktivität Grenzen setzen oder sie ganz unterbinden. Das löst beim Kind Frustration aus.
Kleine Kinder schreien, treten, hauen und wälzen sich auf dem Boden. Warum reagieren sie so extrem emotional?
Wenn Kinder frustriert sind, werden sie von starken Gefühlen wie Enttäuschung und Wut regelrecht überrollt. Sie können diese Gefühle noch nicht selbst regulieren und sich nicht selbst trösten. Die Gefühle lösen dann ein Verhalten aus, das vom Kind nicht gesteuert werden kann. Es ist nicht bewusst trotzig, sondern mit seinem starken Willen für Autonomie in eine Sackgasse geraten, aus der es nicht herauskommt.
Wie bleiben Eltern im Alltag trotzdem entspannt?
Wichtig ist, dass Eltern selbst nicht trotzig reagieren. Kinder entscheiden sich nicht willentlich für einen Trotzanfall und wollen somit nicht die Grenzen der elterlichen Geduld auf die Probe stellen. Eltern reagieren viel entspannter, wenn sie begreifen: Das Kind macht einen wichtigen neuen Entwicklungsschritt in Richtung Selbstständigkeit und kommt dabei immer wieder in überfordernde Situationen. Es ist ein Opfer seiner überschwappenden Gefühle.
Was sollten Eltern lernen, zu akzeptieren?
Eltern müssen immer wieder Grenzen setzen. Sie müssen dann aber auch mit starken Gefühlen des Kindes rechnen. Nehmen wir an, eine Mutter im Tram sagt ihrem Kind: «Wenn du hier herumspringst, kannst du fallen und dich verletzen. Du musst auf meinen Schoss.» Den Wutanfall, die bösen Blicke im Tram – all das muss die Mutter dann aushalten.
Wie lässt sich ein wütendes und enttäuschtes Kind am besten beruhigen?
Was das Kind nun braucht, sind Verständnis, Empathie, Unterstützung und Anleitung. Das heisst nicht, dass Eltern nachgeben müssen. Sie können aber die Situation und die Gefühle des Kindes benennen: «Du bist wütend, weil du jetzt hier ruhig sitzen musst. Ich verstehe, dass du gerne herumgesprungen wärest.» So fühlt sich das Kind besser verstanden. Darüber hinaus sollten Eltern darauf achten, dass das Kind bei seinem Wutanfall weder sich noch andere verletzt. Falls das Kind haut, sollten Eltern seine Hände festhalten und ganz ruhig sagen: «Stopp, ich will nicht, dass du mich haust. Das tut mir weh.» Wichtig ist, selbst ruhig zu bleiben, denn das Kind muss sich an den Eltern orientieren können.
Können Eltern solchen Wutanfällen vorbeugen?
Es gibt Momente, da ist die Eskalation nicht zu vermeiden. Dann hat das Kind aufgehört zu kooperieren. Aber Eltern können versuchen, so zu agieren, dass das Kind so lange wie möglich kooperiert. Dazu gehört, dass sie in den Alltag immer wieder Phasen einbauen, in denen es zur Ruhe kommen kann. Dann kann es zum Beispiel auf dem Boden sitzen und sich mit einem Spiel beschäftigen, bei dem es ordnet und zuordnet. Oder es schaut sich mit Papa ein Buch an. Oder es blickt mit Mama aus dem Fenster, während Entspannungsmusik läuft.
Welche drei Tipps entspannen den Alltag deutlich?
Erstens: Wichtig ist, dass Eltern zeitliche Puffer in den Alltag einplanen. Denn in der Regel wird zu viel Aktivität in den Alltag hineingestopft. Doch Kinder müssen Bewegungsabläufe üben, um selbstständig zu werden: die Mütze auf den Kopf ziehen, den Schlüssel ins Schloss stecken, das Puzzle beenden. Wenn Eltern dagegen Zeitdruck machen, kommen Kinder schneller an ihre Grenzen.
Zweitens: Eltern sollten rechtzeitig ankündigen, dass ein Spiel bald beendet werden muss. «Wir lesen noch zwei Seiten, dann machen wir das Licht aus». So kann sich das Kind besser auf das einstellen, was gleich passiert. Seitens der Eltern muss diese Ankündigung dann unbedingt eingehalten werden.
Drittens: Eltern können übersichtliche Lösungsvorschläge machen, statt unendlich lange zu diskutieren. «Schau, viele Kinder warten und wollen auch in die Schaukel. Ich weiss, du möchtest noch schaukeln, aber du musst dies nun beenden. Willst du nun auf die Rutschbahn oder mit mir eine Sandburg bauen?»
Foto: Getty Images / zVg Susanna Fischer
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