Erziehung

Nein sagen in der Erziehung: Darum ist es wichtig

Bei der Kindererziehung gehört Nein sagen dazu. Warum das schwerfällt und trotzdem so wichtig ist.

Erinnert sich noch jemand an den Begriff «antiautoritäre Erziehung»? Das einstige Lieblingsschlagwort von leicht genervten Grosseltern wird heute oft mit «Erziehung auf Augenhöhe» gleichgesetzt. Und das mit gutem Grund: Autoritär will niemand sein. Geschweige denn wir aufgeklärten Eltern!

Schöner und zeitgemässer ist der Begriff «sturdy parenting», was so viel heisst wie «robustes Erziehen». Zurückzuführen ist er auf die bekannte US-amerikanische Kinderpsychologin und Bestsellerautorin Dr. Becky Kennedy.

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Text: Steffi Hidber

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Gefühle ernst nehmen und trotzdem Grenzen setzen

Im Grundsatz geht es bei diesem Erziehungsstil um zwei Dinge: Konkrete Grenzen anstelle von Laissez-faire, Bindung anstelle von Bestrafung: «Wenn wir die Gefühle unserer Kinder ernst nehmen und gleichzeitig Grenzen setzen, bleiben wir in Verbindung mit den Kindern», erklärt Kennedy.

«Wir üben mit ihnen die Fähigkeiten, die sie brauchen, um ihr Verhalten tatsächlich zu ändern.» Die Psychologin ist überzeugt, dass diese Art der Erziehung starke Beziehungen aufbaue und sogar Verhaltensmuster aufbreche, die über Generationen entwickelt wurden.  

Hört sich gut an, nicht wahr? Der Umgang zwischen Eltern und Kindern ist im Idealfall von Respekt geprägt und durchaus partnerschaftlich. Doch während man sein Kind absolut als gleichwertigen Menschen sehen sollte, bedeutet das nicht, dass das Kind auch im Familienalltag gleichberechtigt ist. Und dazu gehört eben auch, Nein zu sagen.

Warum fällt uns das Neinsagen so schwer?

Es ist nicht überraschend, dass vielen von uns das Wort «nein» nicht besonders leicht über die Lippen geht: Wir möchten alle akzeptiert und gemocht werden und meiden oftmals Konflikte oder Auseinandersetzungen, besonders mit Menschen, die wir gern haben.

Wer aber ausdrücken kann, dass etwas nicht passt oder nicht okay ist, stärkt damit nicht nur seine eigenen Grenzen und gewinnt an Selbstvertrauen, sondern bietet – gerade bei Meinungsverschiedenheiten mit den eigenen Kindern – Stabilität.

Eltern entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht

Kinder brauchen Beständigkeit sowie das Wissen, dass es gewisse Dinge gibt, die nur «die Grossen» abschliessend entscheiden können – und dürfen.

«Man sollte seine Kinder wahrnehmen und ernst nehmen – und damit haben die meisten Eltern Probleme», stellte der leider inzwischen verstorbene dänische Familientherapeut Jesper Juul fest.

«Sie denken, wenn man jemanden ernst nimmt, muss man ihm geben, was er will.» Das sei ein grosses Missverständnis, denn: «Zum Ernst nehmen gehört auch, dass man als Eltern entscheidet, ob man mitmacht oder nicht, wenn die Tochter ein neues Fahrrad oder ein Piercing haben will.»

Nicht nur das Kind profitiert von einem Nein

Wer sich als Elternteil vor diesen Konflikten fürchtet, wird unsicher – das Gegenteil der von Dr. Becky propagierten «stabilen Elternschaft». Wenn man sich dabei ertappt, dem Kind zu schnell nachgeben zu wollen oder sich auf endlose Diskussionen einzulassen, lohnt es sich, vor dem Antworten eine kurze Pause einzulegen.

So lässt sich ein Nein oft sowohl ruhiger, aber auch entschiedener aussprechen. Die Beständigkeit, die so entsteht, nützt nicht nur dem Kind.

Die Berliner Familienttherapeutin Nadine Kempkens stellt bei ihrer Arbeit jedenfalls fest, dass auch Eltern von dieser Klarheit profitieren, denn: «Ein überzeugtes Nein braucht kein schlechtes Gewissen und bedeutet damit auch ein Ja zu sich selbst.»

5 Gründe, weshalb Kinder auch «nein» hören müssen

  1. Es bietet Lernmöglichkeiten – auch, dass das Kind nicht immer alles haben kann, was es will.
  2. Es bringt Kindern bei, Befriedigung zu verzögern und Geduld zu erlernen.
  3. Es hilft ihnen dabei, den Umgang mit Enttäuschung zu trainieren und ermöglicht ihnen, allfällige Probleme anders zu lösen.
  4. Es hilft ihnen, Respekt vor ihren Eltern und anderen Erwachsenen zu haben und bereitet sie auf die Welt ausserhalb des Elternhauses vor.
  5. Und ganz wichtig: Manchmal möchte das Kind tatsächlich ein Nein hören. Viele Kinder und Jugendliche mögen Strukturen und reagieren besser auf Eltern, die beständig bleiben und sie auch zur Rechenschaft ziehen – insbesondere in Bezug auf abgemachte Regeln. Hören und Lesen

Podcast-Tipp: «ELTERNgespräch» mit Christine Rickhoff

In diesem unterhaltsamen Podcast stimmen sowohl die Themen rund um die Erziehung, wie auch die Gästeauswahl, inklusive Psychologin Elke Schicke, die regelmässig eincheckt.

Buch-Tipp: Jesper Juul «Nein aus Liebe»

«Nein aus Liebe», der lesenswerte Klassiker zum Thema vom legendären Familientherapeuten Jesper Juul, der überzeugt ist, dass ein klares Nein oft die liebevollste Antwort ist, die Eltern geben können. Kösel-Verlag, erhältlich bei exlibris.ch.

Fotos: Getty Images

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