Babys erstes Jahr

Streit beim Spielen: Wie Eltern bei Konflikten reagieren sollten

Konflikte gehören zum Leben. Auch Kinder geraten sich immer wieder in die Haare. Zum Beispiel beim Spielen. Doch hauen und heulen müssen nicht sein. Verhandeln und vertragen lassen sich schon früh lernen

Nützliche Informationen

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Das Wichtigste in Kürze

  • Streit bei Kindern ist normal und Eltern müssen nicht sofort eingreifen.
  • Kinder lernen am Vorbild der Eltern, wie sich Konflikte gut lösen lassen.
  • Ein gutes Mittel, um Konflikte zu lösen, ist ein wertschätzendes Miteinander, das sich in Elternkursen lernen lässt. 

Laute Worte, dann ein Knall und Gekreische. Immer dieser Zoff im Kinderzimmer. Schon wieder streiten sich die Kinder beim Spielen. Da fragen sich so manche Eltern zurecht: «Ist das eigentlich normal?»

Streiten gehört zur Kindheit

«Streit bei Kindern lässt sich nicht vermeiden», beruhigt Entwicklungspsychologe Prof. Moritz Daum aus Zürich. Vor allem unter Geschwistern «knallt» es immer wieder mal. «Geschwisterstreit und eine gewisse Geschwisterrivalität sind normal.» Denn erst langsam und mit zunehmendem Alter verfügen Kinder über die notwendigen Kompetenzen, um Konflikte unter Geschwistern auch mal konstruktiv zu lösen. Prof. Daum: «Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, die eigenen Gefühle regulieren zu können. Solche Selbstregulation entwickelt sich aber nur langsam und ist erst im jungen Erwachsenenalter abgeschlossen.» Und auch die Empathie, die Fähigkeit und das Wissen, die Emotionen anderer während des Streits nachzuempfinden, muss erst entstehen.

Beim Streit nicht sofort eingreifen

Kinder dürfen sich also streiten. Prof. Moritz Daum: «Wichtig ist, dass sie lernen, aus dem Streit auch wieder herauszufinden. Wenn sie sich grundsätzlich mögen, kann die Beziehung der Geschwister manchen Streit aushalten.» Doch auch bei jüngeren Kindern müssen Mutter und Vater sich nicht sofort einmischen. «Erst mal abwarten», rät Prof. Moritz Daum. «Denn vielleicht ist das Problem, das dem Streit zugrunde liegt, gar nicht so schwerwiegend.» Dann wenden sich die Geschwister ganz plötzlich einem anderen Spiel oder Thema zu, oder sie finden sogar selbst eine Lösung. «Eltern sollten erst dann eingreifen, wenn sie merken, dass die Kinder nicht mehr allein aus dem Streit oder aus der Auseinandersetzung herauskommen.»

Befreiendes Wissen

1. Konflikte gehören zum Leben:

Konflikte und streiten mit anderen Menschen gehören zum Leben. Es kommt nur darauf an, sie so zu lösen, dass es allen Beteiligten möglichst gut damit geht. Aus Streitereien in der Familie entstehen auch wichtige Erfahrungen fürs spätere Leben. 

2. Kinder haben ein Recht auf Ärger und Wut

Dem dürfen sie Luft machen. Toben, stampfen, weinen – kleine Kinder sind ihren Gefühlen noch völlig ausgeliefert. Streit lässt sich erst dann klären, wenn die Gefühle heruntergekocht sind. Das fällt Kindern leichter, wenn sie Eltern haben, die ihre Gefühle verstehen. Eltern können schon kleinen trotzenden Kindern, die sich selbst noch nicht ausdrücken können, sagen: «Ich merke, du bist ganz schön wütend.» So fühlen sich Kinder verstanden und lernen früh ihre Gefühle und eigenen Bedürfnisse kennen.

Grundsätzlich gilt: Vorbild in der Familie sein 

«Ihr sollt nicht streiten», mit solchen Appellen sind kleine Kinder überfordert. Trotzdem können Eltern von Anfang an Kindern eine gute Streitkultur vermitteln – als Vorbilder. «Wie sich Eltern verhalten, ist der Massstab, an dem sich Kinder orientieren, auch dann, wenn sie mal ausprobieren, ob es auch anders geht», betont Prof. Moritz Daum. Deshalb ist es so wichtig, wie Eltern selbst mit Konflikten umgehen. Können sie freundlich und bestimmt ihre Standpunkte vertreten? Oder beginnen sie selbst zu schimpfen und zu streiten, wenn Kinder sich widersetzen oder sie beim Partner auf Grenzen stossen?

Gemeinsame Sprache, die zu Lösungen führt

Gute Vorbilder sind Eltern, die andere selbst nicht beleidigen. Sie verzichten auch im Streit auf ‚Du-Botschaften‘, die wie Vorwürfe klingen: «Du kannst einfach nicht mal fünf Minuten ruhig sitzen bleiben.» – «Du bist so tollpatschig.»- «Du solltest mal lernen …» Wer einen Streit konstruktiv führen möchte, spricht deshalb in Ich-Botschaften‘. Das heisst: Erklären, welche Folgen das Verhalten des Kindes für einen selbst hat: »Es ist so laut hier, dass ich das Essen überhaupt nicht geniessen kann. Ich merke, dass ich dann sauer werde und mir der Appetit vergeht.» 

Streitende Kinder gleichwertig behandeln

Die Kinder streiten immer wieder erbittert, scheinen sich gar nicht mehr zu mögen? Dann geht es vielleicht gar nicht darum, dass ein Kind ein Spielzeug des anderen kaputt gemacht hat oder die Schwester sich vom kleinen Bruder gestört fühlt. Möglicherweise liegen die Gründe des Streits tiefer. Prof. Moritz Daum: «Fühlt sich ein Kind dauerhaft zurückgesetzt, wenig geliebt, benachteiligt?» Sicher, Gerechtigkeit bei eigenen Kindern sei schwer herzustellen. Denn jedes Kind brauche anderes – je nach Alter, Fähigkeiten und Bedürfnissen. «Wichtig ist, Kindern Entscheidungen transparent zu machen, also die Gründe zu erklären, warum das eine Kind etwas darf, was das andere nicht darf.» Darüber hinaus sollten Eltern beiden Kindern zeigen, dass sie geliebt werden.

Miteinander reden

«Kinder müssen streiten – das stärkt die Durchsetzungskraft.» Immer wieder ist auch dieser Standpunkt zu hören. Doch wenn im Streit gehaut und geschimpft wird, stimmt das so nicht. Viel besser ist es, wenn Kinder nach und nach lernen, Konflikte und Streitigkeiten konstruktiv zu lösen. Denn wer seine Wünsche ruhig und klar formulieren und dem anderen zuhören kann, kommt zu besseren Ergebnissen – und besseren Beziehungen innerhalb und ausserhalb der Familie. Wenn Eltern ihren Kindern genau das vorleben, machen sie den Geschwistern ein wichtiges Geschenk fürs Leben.

Wertschätzende Kommunikation

Der US-amerikanische Psychologe Marshall Rosenberg, gestorben 2015, hat mit seiner «Gewaltfreien Kommunikation», heute auch «Wertschätzende Kommunikation» und «Achtsame Kommunikation» genannt, den Weg gewiesen. Schlüssel-Fertigkeiten sind dabei «Aktives Zuhören» und die «Ich-Botschaften». Es gibt eine Menge Literatur zu diesem Thema. «Die Familienkonferenz» von Thomas Gordon und «Gewaltfreie Kommunikation» von Marshall Rosenberg gehören zu den Klassikern. Auch Elterntrainings vermitteln diese Fertigkeiten.

Foto: Getty Images

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