Baby krabbeln: Babys lernen das Krabbeln von ganz allein
«Und – krabbelt Max schon?» Immer wieder hören Eltern solche Fragen – und fühlen sich damit unter Druck gesetzt. Unnötig. Denn jedes Kind lernt Krabbeln von selbst und in seinem ganz eigenen Entwicklungsrhythmus.
Dr. Jessica Bonhoeffer ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Praxis Youkidoc in Basel. Am Universitäts-Kinderspital Zürich doziert sie über Entwicklungspädiatrie.
Nützliche Informationen
Das Wichtigste in Kürze:
- Die meisten Kinder sind sieben bis elf Monate alt, wenn sie damit beginnen, krabbeln zu lernen.
- Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Rhythmus. Eltern können ihrem Kind nicht das Robben und Krabbeln beibringen.
- Nur wenige Kinder brauchen professionelle Unterstützung.
Schon nach einem halben Jahr sind viele Babys erstaunlich mobil. Voller Neugierde und Tatendrang versuchen sie auf dem Bauch liegend durch Strecken, Hangeln und Robben auch an weiter entfernte Gegenstände und Spielzeug zu gelangen. Jetzt wird es Zeit, die Wohnung kindersicher zu machen!
Aber ab wann beginnen die meisten Kinder so richtig zu robben oder zu krabbeln? 80 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Monaten können auf dem Bauch nach vorn robben, zeigt eine Studie des Schweizer Kinderarztes Prof. Remo Largo. Krabbeln lernt ein Baby meist zwischen sieben und elf Monaten. Das Baby ist dann also in der Lage, sich aus dem Vierfüsslerstand heraus auf Handflächen und Knien fortzubewegen.
Eltern dürfen der Entwicklung ihres Kindes vertrauen
Alles braucht seine Zeit. Kinder entwickeln sich nicht einheitlich – rund zehn Prozent sind schneller, zehn Prozent langsamer. Wenn das Nachbarskind schon durch das Zimmer robbt oder krabbelt, das eigene aber noch auf der Krabbeldecke liegt, fühlen sich Eltern schnell verunsichert. Das aber muss nicht sein. Denn jedes Kind hat seinen individuellen Rhythmus, der ihm gut tut. Wichtig ist, dass Eltern ihrem Kind vertrauen und es in seiner ganz persönlichen Entwicklung unterstützen. Das eigene Baby muss sich nicht entwickeln wie das Nachbarskind. Es krabbelt dann, wenn es soweit ist. «Die allermeisten Kinder lernen Robben und Krabbeln von ganz allein», weiss Dr. Jessica Bonhoeffer, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin.
Robben und Krabbeln brauchen Kraft
Wenn Babys auf die Welt kommen, strampeln sie mit den Beinen und fuchteln mit den Armen. Sie bewegen sich also noch ganz unwillkürlich. Erst nach und nach lernen sie, ihre Bewegungen zu steuern. So beginnen Babys, ihre Hände und Arme einzusetzen, um Dinge zu fassen, um sich zu stützen und sich zu drehen. Und sie lernen, den Kopf zu kontrollieren. Beim Robben müssen sie gezielt Gewicht verlagern, ihre Beine anziehen und sich abstossen. Beim Krabbeln gilt es sogar, die Arme und den Rücken zu strecken und eine Hand zu lösen. «All das braucht Kraft und Koordination, die sich erst aufbauen müssen», erklärt Dr. Jessica Bonhoeffer.
Was brauchen Kinder zum Robben und Krabbeln lernen:
- viel Bewegungsfreiheit – Babys sollten also möglichst wenig Zeit in Autositzen, Kinderwippen und Kinderwagen verbringen,
- eine feste Unterlage wie zum Beispiel eine Krabbeldecke, weil Kinder die Kraft durch Gegendruck erleben,
- ein interessantes Umfeld mit ein paar Rasseln und Greiflingen als Anreiz fürs Baby, sich beschäftigen und fortbewegen zu wollen.
Ist Fördern überflüssig?
Eltern müssen ihr Kind also nicht fördern, damit es das Robben und Krabbeln lernt. Dr. Jessica Bonhoeffer: «Wenn ein Kind gesund entwickelt ist, führt Fördern nicht dazu, dass es früher mobil wird oder besser krabbelt.» Sie erinnert an die Erkenntnisse der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler (1902-1984) und Begründerin der Babykurse ‚Das erste Lebensjahr’. Sie befand, Anleitung durch Eltern sei unnötig, sie störe sogar.
Alles braucht seine Zeit – auch das Krabbeln
«Neuere Untersuchungen bestätigen Emmi Piklers Erkenntnisse. Denn jeder Bewegungsablauf baut auf dem vorherigen auf», so Dr. Jessica Bonhoeffer. »Eltern sollten ihrem Kind deshalb Zeit geben und es seine Entwicklung machen lassen. So unterstützen sie es am meisten. Sie schenken ihm die Möglichkeit, aus eigener Kraft etwas zu schaffen.» Das mache stolz und gebe Selbstvertrauen – «weit mehr, als wenn das Baby nur das gelernt hat, was Mama und Papa ihm schon die ganze Zeit gezeigt haben.»
Sind Spätkrabbler unsportlichen Menschen?
Wenn Kinder spät krabbeln lernen, glauben manche Eltern, das Kind werde vielleicht unsportlich. Doch solch eine Voraussage ist ungewiss. Dr. Jessica Bonhoeffer: «Spätes Krabbeln, das nicht krankhaft ist, kann zwar manchmal ein Zeichen dafür sein, dass das Kind nicht ganz so sportlich wird wie andere und vielleicht später etwas langsamer läuft und rennt. Doch manche Kinder sind einfach nur ein bisschen faul.» Die Qualität der Bewegungen sei wichtiger als der Zeitpunkt. Die späten Krabbler könnten sich später also trotzdem als Sportcracks entpuppen.
Kreative Fortbewegung
Manche Kinder lernen nie krabbeln, sind aber dennoch ungeheuer schnell unterwegs. Sie rutschen zum Beispiel auf dem Po, bis sie eines Tages aufstehen und laufen. «Ist es schädlich für ein Kind, nicht zu krabbeln?», fragen sich Eltern oft. «Krabbeln erfordert eine komplexe Koordination und fördert die gute Kommunikation der beiden Gehirnhälften», weiss Dr. Jessica Bonhoeffer. «Für mich ist dennoch nicht die Art der Bewegung entscheidend, sondern die Bewegungsqualität.» Sie überprüft deshalb: Hat das Kind Kraft? Kann es sich stabilisieren? Ihr Fazit: «Ein Baby, das auf dem Po rutscht, kann also durchaus ein Kind sein, das sich gut entwickelt.»
Brauchen Kinder Hilfe zum Krabbelnlernen?
Zehn Prozent der Kinder können im zwölften Lebensmonat noch nicht krabbeln. «In dieser Gruppe können sich Kinder befinden, die professionelle Hilfe brauchen», weiss Dr. Jessica Bonhoeffer. «Der Kinderarzt sollte das im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen schon früh merken.» Denn dass sich das Kind nicht fortbewege, sei häufig nicht das erste Zeichen dafür, dass ihm Kraft oder Koordination fehlt. Physiotherapie helfe dem Kind nach und nach, in die Bewegung zu kommen.
Entspannende Gelassenheit
Eltern müssen sich also nicht sorgen, wenn ihr Kind spät krabbelt oder andere Fortbewegungsmuster erfindet. Wichtig ist allerdings, dass sie an den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. So kann der Kinderarzt frühzeitig erkennen, ob das Baby vielleicht doch zu den wenigen Kindern gehört, die neurologisch auffällig sind und von Physiotherapie profitieren können oder weitere Abklärungen brauchen.
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